Sylt (spa) – Eine mächtige Allianz aus Gastronomen, Hoteliers und Strandkorbvermietern macht mobil gegen einen der letzten unregulierten Störfaktoren im lokalen Tourismusgeschäft: die Ebbe. In einem an den Inselrat gerichteten Ultimatum fordert der „Verband für umsatzorientierte Küstengestaltung“ (VUK), die Gezeiten per sofortiger Verordnung neu zu regeln. Ziel ist es, die Ebbe und das damit verbundene „ästhetisch unzumutbare Wattenmeer“ ausschließlich in die betriebsarmen Nachtstunden zu verlegen.
„Unsere Gäste zahlen hohe Preise für einen erstklassigen Meerblick, nicht für sechs Stunden Schlick-Panorama“, erklärt Verbandssprecher Peer-Klaas Frederiksen, Betreiber einer exklusiven Lounge in Munkmarsch. „Jeden Tag, wenn das Wasser zurückgeht, brechen unsere Terrassen-Umsätze um bis zu 40 Prozent ein. Die Leute sehen das Watt und bestellen plötzlich nur noch stilles Wasser. Das ist ein untragbarer Zustand und ein klarer Wettbewerbsnachteil gegenüber der Karibik, die dieses Problem bekanntlich nicht hat.“
Der Verband hat eine detaillierte Liste an Forderungen erarbeitet. Demnach soll der Wasserstand an der gesamten Westküste zwischen 8:00 Uhr morgens und 22:00 Uhr abends per Satzung auf „permanente, fotogene Flut“ festgelegt werden. Die für das Ökosystem notwendige Ebbe könne dann „effizient und gebündelt zwischen Mitternacht und sechs Uhr früh abgearbeitet werden, wenn die Zielgruppe ohnehin schläft.“
Im Rathaus von Westerland stößt die Forderung auf eine Mischung aus Panik und Verständnis. „Rein physikalisch sehen wir da natürlich gewisse Herausforderungen“, gibt eine sichtlich überforderte Sprecherin des Inselrats zu. „Andererseits können wir uns der wirtschaftlichen Argumentation nicht verschließen. Unsere Rechtsabteilung prüft gerade, ob der Mond für eine Verhandlung über seine Anziehungskräfte überhaupt empfangsberechtigt ist oder ob wir das als eine Art Gewohnheitsrecht einfach selbst beschließen können.“
Kritik von Naturschützern, die vor einem Kollaps des gesamten marinen Ökosystems warnen, wird von den Unternehmern als „weltfremde Nörgelei“ abgetan. „Ein Wattwurm, der seine Termine nicht in die Nacht verlegen kann, zeigt eine mangelnde Flexibilität, die in der modernen Leistungsgesellschaft keinen Platz mehr hat“, kontert Frederiksen. „Wir sind zuversichtlich, dass sich Robben, Krebse und Vögel schnell an die neuen, optimierten Arbeitszeiten gewöhnen werden.“
Der Inselrat hat nun angekündigt, einen „Runden Tisch der Gezeiten“ einzuberufen, um einen Kompromiss zu finden. Ein erster Vorschlag sieht vor, die Ebbe zunächst probeweise auf die Mittagszeit zu beschränken, in der die Gäste ohnehin mit Essen beschäftigt sind und weniger auf das Meer schauen.
Leave a Reply