In den weiten, neu strukturierten Savannen des Tinnumer Gewerbegebiets, genauer gesagt im Inneren des frisch erblühten REWE-Marktes Kiarwai 2, entfaltet sich täglich ein archaisches Schauspiel der modernen Zivilisation. Nach der intensiven Umgestaltung, die den Markt in ein fast schon unwirklich aufgeräumtes Habitat verwandelte, sind die gewohnten Verhaltensmuster der Spezies Homo Sapiens Sylticus Consumens plötzlich obsolet. Eine neue Technologie stellt die Hierarchie in Frage.
Die Jagd nach dem schnellen Einkauf
Der Umbau hat das Revier sichtlich vitalisiert. Die Gänge sind nun schärfer abgegrenzt, die Beute (Bio-Rucola, trüffel-aromatisierter Käse) logischer präsentiert. Doch die eigentliche Revolution findet am Ende des Beutezugs statt: Die Self-Scanning-Kassen.
Diese glänzenden, futuristischen Monolithen sind die neue Wasserstelle, der Fokus allen sozialen Kräftemessens. Installiert, um dem „Bedürfnis nach schnellen Erledigungen“ – der mythologischen Triebfeder der Insulaner – gerecht zu werden, sind sie in Wahrheit ein evolutionärer Filter.
„Man beobachtet, wie die Individuen zunächst zögerlich, fast ängstlich, an diese Terminals herantreten. Es ist eine Begegnung mit dem Unbekannten. Der klassische Jäger und Sammler ist gewohnt, seine Beute (zwei Flaschen Wein, ein Fertiggericht) einer erfahrenen Bediensteten zu übergeben. Nun muss er selbst die Verantwortung übernehmen.“
Der Ritus des Barcodes
Die Express-Terminals trennen die rudimentären, bandgesteuerten Alphas, die weiterhin die menschliche Interaktion suchen und das ritualisierte Anstehen am langen Band zelebrieren, von der Self-Checkout-Generation.
Der Höhepunkt der Spannung ist der Ritus des Barcodes. Während geübte Pendler und Mittagspausen-Profis ihre Ware mit der flüssigen Präzision eines Geparden scannen, vollführen ältere, ortsansässige Exemplare den sogenannten „Aktion-Artischocke“-Tanz: Ein verzweifeltes Fuchteln des Artikels vor dem Scanner, gefolgt von einem ratlosen Blick in die Kamera, die unbewegt das Spektakel filmt. Es ist der evolutionäre Test: Wer nicht schnell bargeldlos zahlt, wird von der Natur (dem ungeduldigen Hintermann) aussortiert.
Die technologische Aufrüstung entzerrt zwar den Kassenbereich, schafft aber gleichzeitig neue, unsichtbare Spannungsfelder. Der Blickkontakt zwischen einem Barzahler an der klassischen Kasse und einem „Digital-Native“ an den Express-Terminals ist oft von Neid und Verachtung geprägt. Die Botschaft ist klar: Ich habe Zeit. Du hast keine Zeit. Aber du bezahlst deinen eigenen Job.
Das Fazit der ersten Tage ist daher nicht nur positiv, sondern zutiefst anthropologisch: Der REWE Tinnum hat sich nicht nur modernisiert. Er hat einen neuen Spielplatz geschaffen, auf dem die Sylter Kundschaft nun mit modernster Technik kämpfen muss, um sich das Privileg zu erarbeiten, ihren Einkauf selbst zu bezahlen. Eine wahre Tragikomödie des Konsums.


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