Kampen (spa) – Die Insel Sylt reagiert auf die anhaltende Zuwanderung von Festland-Deutschen mittels des 49-Euro-Tickets. Um soziale Verwerfungen und kulturelle Missverständnisse zu minimieren, hat die Kurverwaltung ein verpflichtendes Integrationsprogramm namens „Fit for Sylt“ ins Leben gerufen. Ziel ist es, den Neuankömmlingen die grundlegenden Sitten und Gebräuche der Insel näherzubringen.
„Es geht nicht darum, jemanden auszuschließen“, betont Clarissa von Tantum, Sprecherin der Initiative „Unser Sylt bleibt unser Sylt e.V.“. „Es geht um Harmonie. Wir haben in der Vergangenheit einfach zu oft unschöne Szenen erlebt: Menschen, die Dosenbier direkt aus der Dose trinken, die ihre Aldi-Tüten offen zur Schau stellen oder – und das ist besonders schlimm – die ‚Moin‘ nach 12 Uhr mittags sagen.“
Das ganztägige Pflichtseminar, das direkt nach Ankunft mit dem Regionalzug in Westerland stattfindet, ist Voraussetzung für den weiteren Aufenthalt auf der Insel. Die Kursinhalte sind vielfältig und praxisnah:
Modul 1: Die korrekte Aussprache. Hier lernen die Teilnehmer, Ortsnamen wie „Kampen“ (korrekt: Kaaampen) und „Keitum“ (korrekt: Keitum, aber mit einem verächtlichen Unterton) richtig auszusprechen. Ein Schwerpunkt liegt auf dem korrekten, leicht nasalen Tonfall bei der Bestellung eines Roséweins.
Modul 2: Finanzielle Mimikry. In diesem Workshop üben die Teilnehmer, wie man über hohe Preise klagt, während man gleichzeitig eine Uhr im Wert eines Kleinwagens trägt. Rollenspiele wie „Das gelangweilte Gespräch über den dritten Porsche“ gehören zum Kernlehrplan.
Modul 3: Passive Aggressivität für Fortgeschrittene. Den Teilnehmern wird beigebracht, wie man Neuankömmlinge mit nur einem einzigen, taxierenden Blick von der Leinenhose bis zu den Segelschuhen mustert und damit alles Notwendige sagt.
Modul 4: Die Kunst des Parkens. Ein Fahrlehrer demonstriert auf einem Großparkplatz, wie man einen Geländewagen so über zwei Parkbuchten verteilt, dass es wie ein Versehen aussieht, aber in Wahrheit pure Absicht ist.
Erste Teilnehmer zeigen sich beeindruckt. „Ich dachte ja, ich komm‘ hierher, ess‘ ein Fischbrötchen und gut is’“, berichtet Ronny (34) aus Magdeburg, der in der Mittagspause an einer Selleriestange knabbert. „Aber im Kurs ‚Warum dein Polohemd einen Kragen zum Hochstellen hat‘ habe ich so viel über mich gelernt. Meine C&A-Jacke habe ich freiwillig an der Garderobe abgegeben.“
Die Abschlussprüfung besteht aus einem praktischen Test: Die Absolventen müssen in einer Boutique in Kampen ein Kaschmir-Halstuch für 350 Euro kaufen und dabei so aussehen, als sei es ein absolutes Schnäppchen. Wer besteht, erhält das „Sylt-Integrations-Zertifikat“ und darf sich frei auf der Insel bewegen.
Wer durchfällt, wird von einem Sicherheitsdienst diskret in einem elektrischen Golf-Caddy zum Bahnhof zurückbegleitet und erhält als Trostpreis ein Lunchpaket – bestehend aus einer Dose Heringsfilets in Tomatensauce und einem Päckchen Knäckebrot.
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