Wie die Sylt1-Wochenshow jede Woche aus Nichts… noch weniger macht

Wie die Sylt1-Wochenshow jede Woche aus Nichts… noch weniger macht

Westerland (SPA) – Es ist die vielleicht größte journalistische Herausforderung des Landes: die Sylt1-Wochenshow. Eine Sendung, die Woche für Woche beweisen muss, dass auf einer Insel, auf der sich die Ereignisdichte meist auf den Tidenkalender beschränkt, genug für 30 Minuten Sendezeit passiert. Nach dem tragischen Wegzug der Star-Reporter Axel und Jette (sie flohen nach einem Enthüllungsartikel in ein Zeugenschutzprogramm auf Föhr), ruht die gesamte Last auf den Schultern einer tapferen Rumpf-Crew, die nun nur noch aus der Ferne unterstützt werden. Die Sylter Neue Presse hat die Helden bei ihrer Arbeit beobachtet.

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Der Stratege: Alex (Alter: irgendwo zwischen Selbstaufgabe und Rente) Alex ist das Herz und die müde Seele der Wochenshow. Er hat alles gesehen, alles gefilmt und vor allem alles schon einmal gesendet. Sein Arbeitsplatz ist kein Newsroom, es ist ein Mausoleum der Wiederverwertung. Seine wichtigste Regel: „Warum neu drehen, was 2014 schon perfekt war?“ Mit der stoischen Ruhe eines Leuchtturmwärters durchforstet er das Archiv nach „zeitlosen Klassikern“. Ein Beitrag über die Reparatur einer Buhne von 2009? Wird mit dem Titel „Aktuell: Küstenschutz im Wandel“ wiedergeboren. Ein Schwenk über blühendes Heidekraut von 2011? „Exklusiv: Die Sylter Natur erwacht“. Alex hat die Kunst perfektioniert, aus einer einzigen, verpixelten Aufnahme eine ganze Beitragsreihe zu stricken.

Der Mann für die Action: Nick (25), Kameramann Nick ist jung, er ist dynamisch, und er ist der Einzige im Team, der weiß, was eine „GoPro“ ist. Jeden Montagmorgen schlägt er voller Tatendrang vor: „Wie wär’s mit einer Drohnenaufnahme vom Ellenbogen bei Sonnenaufgang?“ oder „Lass uns eine Zeitraffer vom Wolkenzug über dem Roten Kliff machen!“. Alex schaut dann meist nur kurz von seinem Bildschirm auf, auf dem er gerade eine Aufnahme von 1998 digitalisiert, und murmelt: „Hatten wir schon. 2007. Und 2012. Und letzte Woche. Zieh los und filme eine Möwe, die auf ein Brötchen starrt. Aber in 4K, damit wir es die nächsten zehn Jahre verwenden können.“ Nick seufzt dann, schnappt sich seine Kamera und zieht los, um das immer gleiche Meisterwerk zu erschaffen: Möwe. Starrer Blick. Brötchen.

Die Entstehung der Wochenshow: Ein Überlebenskampf

Entgegen landläufiger Meinung folgt die Produktion der Wochenshow keinem Drehbuch, sondern den Gesetzen der Chaostheorie. Alles beginnt mittwochs mit Alex‘ heiliger Mission, das „Thema der Woche“ in der rauen Sylter Natur zu finden. Meist handelt es sich dabei um ein besonders melancholisch dreinblickendes Schaf bei Morsum oder eine Welle, die „genau wie die von letzter Woche, aber doch anders“ bricht.

Auf dieser existenziellen Suche verliert Alex jedoch regelmäßig jeglichen Kontakt zur Zivilisation und oft auch die Orientierung. Stunden vergehen. Im Sender wird man nervös. Hier kommt Nick ins Spiel. Ausgestattet mit Kamera, einem Müsliriegel und dem untrüglichen Instinkt eines Trüffelschweins, startet er die „Operation Alex-Bergung“. Er findet ihn zuverlässig gegen Spätnachmittag, meist halb verhungert in einer Düne liegend, wild mit einem Stück Strandhafer wedelnd und murmelnd: „Ich hab’s, Junge… das Thema…“

Das Ergebnis ist dann die Wochenshow: eine dramatische 15-minütige Dokumentation über Nicks heldenhafte Suche (Kamera läuft natürlich immer mit), gefolgt von einem 10-minütigen, tiefgründigen Beitrag von Alex über die transzendentale Schönheit von Strandhafer bei Westwind.

Es ist ein wöchentlicher Kraftakt, ein Denkmal der Entschleunigung. Und wenn am Ende der Woche die Show über den Sender flimmert, lehnt sich Alex zufrieden zurück. Er hat es wieder geschafft. Er hat aus fast nichts eine Sendung gemacht, die beweist: Auf Sylt ist die wichtigste Nachricht, dass es auch diese Woche keine gab. Und das, liebe Zuschauer, ist eine Leistung, die man nicht hoch genug würdigen kann.

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